Autor: Wolfgang Wüstefeld Verlag: Verlag Die Furt 2002 ISBN: 9783933416162
Kindheit und Jugend des Autors im Frankfurt der Vorkriegszeit sind geprägt durch das christliche Elternhaus und die feste Gemeinschaft der Pfadfinder. Als engagierter Katholik sucht und findet er seinen Platz in den verschiedenen Gesellschaftssystemen – und macht dann sogar noch Karriere.
Über viele Jahre verantwortlich für den Brückenbau im ehemaligen Bezirk Frankfurt (Oder), hat Wolfgang Wüstefeld einiges zu erzählen, nicht nur über Schwierigkeiten im Brücken- und Verkehrsbau ...
Offiziellen Interpretationen stellt er persönlich Erlebtes gegenüber. Gerade diese persönlichen Erinnerungen illustrieren den Alltag in den einzelnen Epochen der letzten siebzig Jahre dieses Jahrhunderts.
Vieles macht nachdenklich, manches stimmt heiter, anderes traurig. Die ganze Palette, die das Leben ausmacht.
3. Auflage 2002. Paperback, 418 Seiten, 20 Fotos. Format 12,4 x 19 cm. Umschlag: Christoph Neubauer
Leseprobe:
Ich bekam die Aufgabe, die Brücke in Fürstenwalde über den Schleusenabstieg zu bauen - eine großartige Aufgabe für einen jungen Ingenieur. Es handelte sich um eine Vierfeldbrücke, die durch eine komplizierte Stahlkonstruktion sich über den Schleusenabstieg schwang.
Die 1913 an gleicher Stelle gebaute Brücke war im Krieg zerstört worden. Sie mußte weggeräumt werden. Besonders auch die Gründungen konnten nicht weiterverwendet werden. Jeder der fünf Unterbauten erforderte eine andere Gründung. Alle waren kompliziert: durch nicht tragfähigen Baugrund, viele Tonnen schwere eiszeitliche Findlinge oder gerissenen Teile von Fundamenten der alten Brücke. Wir hatten einen Prahm mit Dampfbagger, Kesselbuch von 1872! Ausreichend lange Holzspundbohlen waren nicht zu bekommen. So mußten wir uns mit ungewöhnlichen Schwierigkeiten abmühen und Lösungen erfinden, die heute kaum vorstellbar sind. Ohne Taucher und Sprengungen ging nichts. Am einfachsten war die Druckluftgründung mit Senkkasten (Caisson) für den Hauptpfeiler. Hier schütteten wir eine Insel für den Aufbau des Senkkastens.
Seit 1945 ging der Verkehr zwischen den Stadtteilen und zur Autobahn über eine hölzerne Behelfsbrücke, die über die Schleusenkammern führte. Dadurch wurde die Schiffahrt stark behindert. Aber vor allen Dingen war der Verkehr so stark, daß die Holzkonstruktionen ständig erneuert werden mußten. Das kostete viel und brachte Verkehrsbehinderungen mit sich. Ein anderer Übergang über die kanalisierte Spree war weit und breit nicht vorhanden.
Die Bevölkerung nahm großen Anteil an dem Brückenbau, der ja praktisch mitten in der Stadt lag.
Wir hatten alles vorbereitet, um auch den Stahlbau schnellstens durchzuführen. Kompliziert war die große Schiffahrtsöffnung. Die Konstruktion sollte mittels Hängeseilen an einen Stahlbogen gehängt werden. Der Trägerrost, der an diesen Stahlbögen hing, mußte vorgespannt werden. Das war eine Konstruktion, die keiner von uns wirklich beherrschte.
Den Stahl für die Brückenkonstruktion hatten wir rechtzeitig in der Sowjetunion bestellt. Er kam dennoch mit Verspätung. Pflichtgemäß ließ ich Stahlproben vom Materialprüfungsamt in Berlin untersuchen. Wir bekamen die Antwort: Für den Brückenbau völlig unbrauchbar. Total versprödeter Stahl, kann allenfalls noch in der Dorfschmiede verwendet werden, für andere Zwecke nicht zu verwenden.
Jetzt ging das Theater mit den Bestellungen erneut los. Jedesmal waren große bürokratische Hindernisse zu überwinden. Vor allem, daß wir den sowjetischen Stahl abgelehnt hatten, war ein Politikum sondergleichen.
Etwa ein Jahr später, wir hatten inzwischen alle anderen Arbeiten soweit fertig gestellt, auch schon am Straßenbau gearbeitet, kam die nächste Stahlsendung aus der Sowjetunion. Wieder die Prüfung und wieder das gleiche Ergebnis. Auf die Herstellung und die Auslieferung in der Sowjetunion hatten wir in der DDR keinerlei Einfluß. Man hatte uns also zum zweiten Mal ausgesprochen unbrauchbaren Stahl geliefert. Es ...